Sternenkindtagung 2025 in Graz

Wenn Stille ein Tabu ist

Rückblick auf die Sternenkind-Tagung 2025 in Graz

Manchmal sind die tiefsten Wunden die, über die kaum gesprochen wird. Die Vierte Fachtagung der Sternenkindhilfe von Mein Sternenkind.net (https://blog.mein-sternenkind.net/) hat es sich zur Aufgabe gemacht, eines dieser Tabus ins Licht zu holen: „Fetozid & Soziale Indikation“. Ein Bericht von Sofi, die gemeinsam mit Christina einen Tag in Graz war.

Die Tagung (25.–27. September 2025 im Lendhafen) brachte Expert:innen aus Medizin, Psychologie, Hebammenwesen, Trauerbegleitung und ethischen Feldern zusammen, um mehrere sehr schwer zugängliche Themen zu beleuchten: Fetozid, soziale Indikation und die Überlappung zwischen medizinischer und sozialer Indikation. Das Motto lautete: Trauer darf keine Unterschiede machen. Jeder Frau steht es zu, um ihr Kind zu trauern und professionelle Hilfe zu erhalten – unabhängig davon, ob der Verlust durch Totgeburt, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch eingetreten ist.

Besonders wenn die Abbrüche aus sozialer Indikation erfolgen – also wenn äußere Umstände (z. B. finanzielle, familiäre, psychische Belastung, eingesetzte Unterstützungsangebote) maßgeblich sind. Die Tagung thematisierte, wie medizinische Indikationen (z. B. bei Gefahr für Gesundheit der Mutter oder schwere Fehlentwicklung des Kindes) oftmals in ethische Grauzonen übergehen, in denen auch soziale Faktoren wirken. Die Botschaft: Diese Verluste sind real – und sie verdienen Anerkennung, Offenheit und Unterstützung. Trauer darf und soll möglich sein. Ein Tabu, das noch immer tief sitzt: Viele

Betroffene fühlen sich allein, unverstanden und ohne Raum, ihre Gefühle auszudrücken.

Ebenfalls Teil der Tagung: ein Workshop zur Sternenkindfotografie (inklusive Unterwasserfotografie) und Auszüge aus dem Bühnenstück „Loch im Bauch“, das Geschichten von Frauen erzählt, die sich gegen eine Schwangerschaft entschieden haben, und ein politischer Podiumsteil mit Abgeordneten.

An dieser Stelle möchten wir auch auf die Selbsthilfegruppe „„Sterneneltern nach Pränataldiagnostik“ verweisen. https://www.shg-regenbogen.at/termine-2025/#toggle-id-2

Auch nach IVF kann es in seltenen Fällen genauso wie bei anderen Schwangerschaften zu einem Abbruch kommen.

Politik trifft Betroffene

Ein besonders intensiver Moment der Tagung war das politische Podium. Teilgenommen haben:

  • Fiona Fiedler (NEOS)
  • Bernhard Herzog (SPÖ)
  • Johanna Jachs (ÖVP)

Aus Deutschland angereist war Natascha Sagorski, Gründerin der Initiative Familie sind alle und Initiatorin der erfolgreichen Petition für einen gestaffelten Mutterschutz.

Sagorski, selbst Betroffene nach einer Fehlgeburt, kämpfte jahrelang für eine gesetzliche Änderung in Deutschland. Bis vor Kurzem hatten Frauen, die ihr Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche verloren, keinen Anspruch auf Mutterschutz – und damit weder Zeit noch Schutz für ihre Trauer. Durch Sagorskis Engagement und eine Petition mit über 75.000 Unterschriften wurde 2025 ein neues Gesetz verabschiedet: Frauen haben nun ab der 13. Schwangerschaftswoche Anspruch auf mindestens zwei Wochen Mutterschutz, bei späteren Wochen länger.

„Eine Fehlgeburt ist kein Randthema. Es ist ein Verlust – körperlich, seelisch und existenziell“, sagte Sagorski in Graz. „Gesetze müssen das anerkennen, sonst bleibt die Trauer unsichtbar.“

Ihre Arbeit zeigt, wie persönliche Betroffenheit zu gesellschaftlicher Veränderung führen kann – und wie wichtig es ist, politische Rahmenbedingungen für Trauer, Schutz und Begleitung zu schaffen.

Das Podium diskutierte deshalb intensiv, wie ähnliche Schritte auch in Österreich möglich wären:
Wie kann gesetzlich und gesellschaftlich sichergestellt werden, dass Trauer nach einem Schwangerschaftsabbruch nicht im Verborgenen bleibt? Wie sieht gute Beratung aus? Welche Unterstützung fehlt noch – besonders bei sozialer Indikation?

Warum ist das wichtig für uns bei Die Fruchtbar?

Wir setzen uns dafür ein, dass Kinderwunsch, Verlust, medizinische und psychische Belastungen offen besprochen werden – ohne Schuld, ohne Bewertung. Diese Tagung macht deutlich:
• Es gibt viele übersehene Verluste – nicht nur Fehlgeburt, Totgeburt, sondern auch den Weg vor einem Schwangerschaftsabbruch durch soziale und medizinische Indikationen.
• Viele Menschen (insbesondere Frauen) leiden in Stille, weil gesellschaftlich und medizinisch nicht genügend Raum ist, um über den Verlust und die Trauer zu sprechen.
• Politische Verantwortung trägt mit, wie Trauer anerkannt wird – etwa durch gesetzliche Verbesserungen, durch Finanzierung von Beratung, durch Anerkennung sowohl psychisch als auch sozialer Dimensionen.

Impulse und Forderungen, die sich aus der Tagung ergeben:
• Ein klares politisches Verständnis dafür, wann medizinische Indikation und soziale Indikation sich überschneiden, und welche Unterstützungsmaßnahmen dann greifen müssen.
• Gesetzliche Regelungen, die Trauer nach Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich anerkennen – z. B. in Form von psychologischer Begleitung, rechtlicher Anerkennung oder Beratungspflichten.
• Bessere Transparenz und Aufklärung: Eltern müssen wissen, welche Möglichkeiten sie haben, auch bei sozialer Indikation; Krankenhäuser müssen informieren.
• Förderung von Forschungs- und Statistikdaten zum Thema Abbruch und Trauer – wie viele Frauen sprechen von Verlust, wie viele erhalten Unterstützung etc.
• Öffentliche Begleitung und Enttabuisierung: Medien, Gesundheitswesen, Gesellschaft müssen Räume schaffen, in denen man diese Fragen stellen und Gefühle äußern darf.

Fazit

Die Sternenkind-Tagung 2025 war ein wichtiger Meilenstein, weil sie ein Thema in den Mittelpunkt rückte, das im Schatten steht: Trauer nach Schwangerschaftsabbruch – insbesondere bei sozialer Indikation. Es ist ein stiller Verlust, bisweilen ein unsichtbarer, bisweilen beschämter. Doch Trauer kennt kein Oben oder Unten, kein öffentlich oder privat – sie kennt Menschen. Für uns bei Die Fruchtbar heißt das: weiterhin öffentlich werden, weiterhin zuhören, weiterhin fordern, dass betroffene Menschen nicht allein gelassen werden. Denn nur so kann aus dem Tabu ein Gespräch werden – und aus der Stille ein Teil der Heilung.

 

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