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Familienglück für zwei Väter – dank Leihmutterschaft und Eizellspende

Ein Kind mit einer Leihmutter? Für viele ein Tabu und eine moralische Grenze. Schnell entstehen Bilder im Kopf: arme Frauen, die aus Not heraus für Wohlhabende schwanger werden und Kinder austragen. Doch die Geschichte von Tobias Devooght (Dads Kids Miracles) erzählt eine andere Wirklichkeit. Er und sein Mann Dennis haben mit Hilfe einer Eizellspende und Leihmutterschaft in den USA zwei Kinder bekommen. Gemeinsam setzen sie sich für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz von Zwei-Väter-Familien in der Gesellschaft ein und klären zum Thema Eizellspende und Leihmutterschaft als Weg ins Familienglück auf.

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Familienbild Dads Kids Miracles

Die Fruchtbar: Tobias, wie hat alles bei euch begonnen? Irgendwann stand nach längerer Beziehung ganz klassisch der Kinderwunsch im Raum. Was gibt es für uns überhaupt für Möglichkeiten Familie zu gründen? Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder doch Co-Parenting? Wir haben uns vieles angeschaut – Adoption schien uns zu ungewiss und im eigenen Umfeld hatten wir erlebt, wie herausfordernd das Leben mit Pflegekindern sein kann. Co-Parenting haben wir auch ziemlich schnell ausgeschlossen, da wir bei Bekannten eine Negativ-Erfahrung mitbekommen hatten. Ich habe für mich relativ früh gespürt, dass ich mir leibliche Kinder wünsche. Natürlich ist dann die Frage: Wie geht das überhaupt?

Das Thema Leihmutterschaft kam eher zufällig auf – und wir waren zunächst sehr skeptisch. In deutschen Qualitätsmedien haben wir viel Negatives gelesen. Auch wenn ein Artikel neutral formuliert ist – die Kommentarspalten darunter durfte man sich nicht durchlesen. Eine Reportage hat uns Mut gemacht, weiter zu recherchieren, und schließlich sind wir auf einer Konferenz gelandet, bei der wir viele Einblicke in die Leihmutterschaft in den USA gewinnen konnten. Mein Mann hatte einen starken Bezug zu den USA, und rechtlich sowie ethisch hatten uns die von Anfang an sehr ausführlichen Informationen und der transparente und strukturierte, schon fast standardisierte Prozess – Kinderwunschklinik mit Eizellspende, Leihmutterschaftsagentur, rechtliche Betreuung, das ganze Paket – überzeugt.

Die Fruchtbar: Wie lief der medizinische und rechtliche Prozess ab?

Es sind auf dem Weg eine Vielzahl an Entscheidungen zu treffen. Insgesamt teilte sich der Prozess für uns in zwei wesentliche Phasen: Erst haben wir mit einer Kinderwunschklinik gesprochen und in unserem Fall dann auch eine Eizellspenderin ausgesucht.

Früh war für uns klar, dass wir keine anonyme Eizellspende möchten. Die Frau, die ihre Eizellen spendet, sollte uns sympathisch sein wie wohl jeder seinen Partner auswählt mit dem er oder sie zukünftig vielleicht Familie gründen möchte.

Uns ist wichtig, dass unsere Kinder später die Möglichkeit haben, bei Interesse mit der Spenderin in Kontakt zu treten. Kinder können viele Fragen haben, und wir erleben es jetzt schon, dass sie neugierig sind. Mit unserer Eizellspenderin haben wir bereits jetzt Kontakt. Sie selbst hat noch keine eigenen Kinder, aber sie findet den Kontakt zu uns sehr wertvoll. Mit unserer Samenspende konnte dann die künstliche Befruchtung erfolgen und als Ergebnis hatten wir Blastozysten, die eingesetzt werden können. Wir haben uns bewusst gegen weitere Tests wie die Präimplantationsdiagnostik entschieden, auch wenn dies in den USA bis hin zur Geschlechtsauswahl möglich wäre. Uns war es aber wichtig, dass wir der Natur nur etwas auf die Sprünge helfen und nicht eingreifen, so wurde dann der bestentwickelte Embryo ausgewählt, um ihn unserer Leihmutter einzusetzen.

Danach kam quasi eine zweite Phase – die Leihmutterschaft mit Schwangerschaft und Geburt. Häufig wird angenommen, dass die Leihmutter dieselbe Person wie die Eizellspenderin ist – das ist aber nahezu nie der Fall, daher ist es in der Regel eine austragende, aber genetisch nicht verwandte Frau, die das „ihr Fremde“ austrägt. Dieses Dreiecks-Modell hilft, die Rollen klar zu halten und allen Beteiligten Orientierung zu geben. Für viele Frauen ist es auch emotional leichter, das Kind dann an die Wunscheltern zu übergeben. Zudem ist es für die Leihmutter einfacher ihren eigenen Kindern zu erklären: „Ich beherberge das Kind für die Zeit der Schwangerschaft und gebe es dann denen, wo es nicht klappt.“ In den USA gilt als Grundvoraussetzung für Frauen, die Leihmutter sein möchten, eigene Kinder zu haben und auch gesunde Schwangerschaften erlebt zu haben. Eine unserer Leihmütter hat später auch noch ein leibliches Kind bekommen. Wir haben zu beiden Leihmüttern bis heute Kontakt.

Die Fruchtbar: Wer waren denn eure Leihmütter? Und wie sind die Schwangerschaften verlaufen?

Wir hatten großes Glück. Unsere erste Leihmutter, Ericka, lebt selbst in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und wusste aus ihrem Umfeld, wie groß der Wunsch nach Kindern und wie schwierig der Weg dorthin sein kann. Sie wollte anderen zum Familienglück verhelfen, denn sie versteht nicht, weshalb es Menschen so schwer gemacht wird. Ericka brachte unsere Tochter bereits in der 28. Woche zur Welt, weshalb nach einigen gemeinsamen Gesprächen, auch mit den Ärzten, von einer weiteren Schwangerschaft abgesehen wurde. Auch wenn Sie sich sehr gewünscht hat, noch ein Kind für uns auszutragen.

Unsere zweite Leihmutter, Amelia, hatte ursprünglich im familiären Kontext darüber nachgedacht für Ihre Tante ein Kind auszutragen. Ihre Tante bekam aber dann in höherem Alter doch selbst noch ein Kind. Im Hinterkopf war für Amelia klar, dass sie einmal Leihmutter für ein Paar sein möchte. Sie ist gerne schwanger und hat sich immer gut gefühlt bei ihren eigenen Kindern, da wollte sie einmal im Leben für andere ein Kind austragen.

Die Fruchtbar: Ein oft genanntes Klischee lautet: Leihmütter tun das nur wegen des Geldes. Wie erlebt ihr das? Diese Vorstellung ist weit verbreitet – aber sie stimmt mit unseren Erfahrungen nicht überein. Natürlich muss man vorsichtig sein, denn es gibt sicher Leihmutterschaften wo die Hauptmotivation finanzieller Natur ist. Unsere Leihmütter lebten in sehr stabilen Verhältnissen mit eigener Familie und guten Jobs. In den USA wird stark geprüft, dass es nicht ausschließlich ein finanzieller Anreiz gibt. Wir sind froh, dass wir ihr eine finanzielle Kompensation geben konnten. Wir reden so oft über Care-Arbeit, die gesellschaftlich unterbewertet ist. Wenn eine Frau sich also ganz bewusst entscheidet, einem anderen Menschen beim Familienglück zu helfen – warum sollte man ihr diese Entscheidung absprechen – auch wenn sie es „auch“ für Geld macht? Ich finde es problematisch, wenn Frauen abgesprochen wird, selbstbestimmt über ihren Körper und ihr Engagement zu entscheiden. Wir sind sehr dankbar, dass Ericka und Amelia uns zu unserem Familienglück verholfen haben und wir sind überzeugt, dass sie selbstbestimmt entschieden haben unsere Leihmütter zu sein.

Die Fruchtbar: Es ist ja auch ein bisschen so der Diskurs: eine Frau darf ihren Körper nicht verkaufen. Und natürlich kommt auch dazu, dass wir historisch zwar schon immer Samenspenden kennen, aber eben immer die Mutter sicher war – das ist ja auch ein lateinisches Rechtssprichwort. „Mater semper certa est“. Die Mutter ist immer sicher. Und eben bei der Eizellspende wird das völlig aufgebrochen. (Unbedingt auch ein Buchtipp: „Kinder wollen“ von Barbara Bleisch und Andrea Büchler)

 

Die Fruchtbar: Wie alt sind eure Kinder heute? Unsere Kinder sind fünfeinhalb und vier Jahre alt. Wir haben 2017 mit den ersten Recherchen begonnen, der erste Embryotransfer war 2018, die Geburten waren 2019 und 2021. Es ist wirklich ein Marathon und kein Sprint – es gibt einfach viele Hürden zu nehmen – vieles ist planbar, doch es gibt auf dem Weg viele Entscheidungen zu treffen, Papierkram durchzuarbeiten, und manchmal, wie auch wir, erlebt man auch Rückschläge. Das alles darf man nicht unterschätzen. Und die Schwangerschaft selbst lässt sich auch nicht beschleunigen.

Die Fruchtbar: Ich kann mich nur erinnern, ich habe mal einen Beitrag beim Standard gehört, da waren auch zwei Väter, die ihre Kinder durch Leihmutterschaft bekommen haben. Und ich muss sagen, ich habe mir nur gedacht: wow, so schnell!

Beim zweiten Kind hat es gleich beim ersten Versuch geklappt. Wir haben auch 2018 begonnen, und unser Sohn ist 2022 auf die Welt gekommen. Aber natürlich ist das auch wieder was anderes. Leihmütter sind in der Regel Frauen, die auf natürliche Weise sehr einfach schwanger geworden sind, fruchtbar sind, und bereits gesunde Schwangerschaften und Geburten erlebt haben. Sie hatten nie Herausforderungen beim Kinderwunsch und brauchten keine Kinderwunschbehandlung. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau im Rahmen der Leihmutterschaft schwanger wird, mit zusätzlicher hormoneller Unterstützung, sehr hoch. Daher werden Leihmütter sehr oft direkt beim ersten Versuch schwanger. Man kann also Frauen in klassischer Kinderwunschbehandlung und der daraus folgenden Schwangerschaft nicht wirklich mit Frauen, die Leihmutter sind, vergleichen.

Die Kosten, um diesen Weg zu gehen, unterscheiden sich sehr stark von Land zu Land, in dem Leihmutterschaft erlaubt ist. Letztlich gibt es Möglichkeiten von rund 80.000 Euro bis hin zu 180.000 US-Dollar, allerdings gibt es damit einhergehend auch medizinische, rechtliche und ethische Unterschiede in den Regelungen für die Leihmutterschaft und Paare müssen teils Kompromisse, in Bezug auf Transparenz, rechtlicher Sicherheit und auch ethischen Aspekten wie beispielsweise der Beziehung zur Leihmutter auf Ihrem Weg in Kauf nehmen. Wir haben damals einen Kredit aufgenommen, um diese Summe für den Weg zu bewältigen und sind heute sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten.

Die Fruchtbar: Warum setzt ihr euch heute öffentlich für dieses Thema ein? Wir sind davon überzeugt, dass der Weg zur eigenen Familie sehr vielfältig aussehen kann. Leihmutterschaft sollte als eine Möglichkeit wahrgenommen werden. Es gibt aber keine offizielle Anlaufstelle für zuverlässige Informationen, Paare sind oft allein, wenn Sie diesen Weg in Betracht ziehen und müssen Entscheidungen nach bestem Gewissen treffen.

Leihmutterschaft ist ein komplexer Weg, aber einer, der mit Respekt und Verantwortung gelingen kann. Wir engagieren uns für Aufklärung, Sichtbarkeit und ein ehrliches Gespräch über Chancen, Risiken und ethische Fragen sowie Leihmutterschaft auf Augenhöhe. Jeder muss selbst entscheiden, ob er sich mit diesem Weg identifizieren kann und nach seinem eigenen ethischen Kompass und den finanziellen Möglichkeiten entscheiden. Aber alle sollten verstehen dürfen, was Leihmutterschaft bedeutet und wie sie für alle Beteiligten, das Kind, die Leihmutter, die Eizellspenderin und die Wunscheltern ablaufen kann.

Anmerkung Redaktion: Das österreichische Regierungsprogramm stellt sich klar gegen Leihmutterschaft und möchte ein explizites Verbot der Leihmutterschaft und den Einsatz für ein Verbot auf europäischer und internationaler Ebene vorantreiben.

 

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