Unser neuer Gastbeitrag behandelt das Thema Fehlgeburten. Bea hat vor kurzem diesen Text, den sie bereits vor vier Jahren geschrieben hat, wieder entdeckt – er hat den Titel „Über Fehlgeburten spricht man nicht.“
Über Fehlgeburten spricht man nicht. Warum eigentlich nicht? Sie passieren und das sogar sehr häufig, wie einem während einer Fehlgeburt im Krankenhaus „zum Trost“ gesagt wird. Werden eigentlich auch Angehörige nach einem tödlichen Unfall damit getröstet, dass so etwas sehr oft passiert? Macht es das weniger schlimm, wenn etwas häufig vorkommt?
Die ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft soll man verschweigen, weil es da noch besonders leicht passieren kann, dass man eine Fehlgeburt hat. Wenn man schwanger ist, erwartet das Umfeld, dass man ein Happy End präsentieren kann. Wer das nicht kann, soll darüber nicht sprechen, es will niemand hören, es weiß niemand, wie er damit umgehen soll, was er dazu sagen soll. Dabei wäre es so einfach: „Es tut mir leid für dich, dass dir das passiert ist.“
Ich hatte zwei Fehlgeburten, die mich für immer verändert haben. Ich hoffe darauf, irgendwann mein Happy End in den Armen halten zu dürfen. Aber oft ist es so, dass man das Happy End erst über Umwege oder überhaupt nicht erreicht. Darüber sollte man auch sprechen dürfen.
Ich habe keine Zellhaufen verloren, sondern meine Kinder, mit denen viele Hoffnungen, Träume und Wünsche verbunden waren.
Es wird von mir erwartet, zu schweigen und weiterhin so zu funktionieren, wie ich immer funktioniert habe. So wie mir geht es vielen anderen Frauen auch – man soll in den Alltag zurückkehren und tun als ob nichts gewesen wäre.
Wie soll ich vor meinen Freunden und vor meiner Familie so tun als ob ich einen erholsamen Urlaub hatte, wenn ich im Urlaub mein zweites Kind verloren habe, wenn die Welt, die ich mir mühevoll wieder aufgebaut hatte, nochmal zusammengebrochen ist, wie und warum soll ich das verheimlichen?
Es geht mir nicht gut, ich funktioniere gerade nicht und ich will von niemandem hören, dass „es jetzt aber bald mal Zeit ist für Nachwuchs“.
Ich dachte, das Wort „Fehlgeburt“ bedeutet, dass ich einen Fehler gemacht habe oder dass ich irgendwie fehlerhaft bin, aber das stimmt nicht, es bedeutet, dass man eine Geburt hat und einem danach etwas fehlt. Es ist nichts, wofür man sich schämen muss, man muss es nicht verschweigen. Wir sind viele und wir können uns gegenseitig unterstützen, aber nicht, wenn jede für sich allein still im Verborgenen leidet.
Vier Jahre später habe ich diesen Text wieder entdeckt. Das damals heiß ersehnte „Happy End“ habe ich jetzt glücklicherweise – eine wunderbare Tochter, für die ich sehr dankbar bin. Das Ende der Kinderwunschzeit hat das allerdings nicht bedeutet. Es folgten eine weitere Fehlgeburt und bisher zwei erfolglose IVF-Versuche.
„Jetzt wird`s aber Zeit für ein zweites Kind“ habe ich in den letzten Jahren immer wieder gehört – wenn ich darauf antworte, dass das nicht so einfach ist, dann weiß mein Gegenüber meistens nicht, wie es damit umgehen soll. Ein „Ihr müsst eben noch mehr daran arbeiten“ ist wenig hilfreich während man Unmengen Medikamente schluckt und sich täglich Hormonspritzen gibt. Also vielleicht doch besser schweigen über all die Stolpersteine, die die Kinderwunschzeit mit sich bringt? Ich weiß es nicht.