Ice, ice, baby?!

Kategorie(n):
28/10/2023

Social Egg Freezing und die Hoffnung auf Familie

Johanna Kostenzer, PhD ist Sozialwissenschaftlerin und hat während ihrer Tätigkeit an der Erasmus Universität Rotterdam zum Thema Social Egg Freezing geforscht. Für "Die Fruchtbar" hat sie ihre Studienergebnisse zusammengefasst.

Vorsorglich Eizellen einfrieren zu lassen, um sich die Möglichkeit für eine spätere Schwangerschaft zu erhalten, hat in den letzten Jahren immer mehr an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Medienberichte über internationale Tech-Konzerne, die ihren Mitarbeiterinnen die doch kostspielige Prozedur des „Social Egg Freezing“ über Firmen-Benefits ermöglichen, haben die Debatte noch weiter angeheizt. Diskutiert wurden dabei ethische Aspekte, aber letztlich auch die Ursachen, warum Frauen überhaupt die Notwendigkeit sehen – ohne klar ersichtliche medizinische Gründe – Eizellen entnehmen und aufbewahren zu lassen. Social Freezing steht auch heute noch häufig in der Kritik und wird in vielen Ländern streng reguliert – und ist in Österreich (bislang) nicht erlaubt.

Im Rahmen meiner Forschungstätigkeit an der Erasmus Universität Rotterdam habe ich mich mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen, den vorherrschenden Meinungsbildern, aber eben auch mit den ganz persönlichen Erfahrungen von Frauen beschäftigt, die ihre Eizellen aus so genannten „sozialen“ Gründen einfrieren lassen. Die Ergebnisse haben mich nicht selten selbst überrascht.

Was ist „Social Egg Freezing“ eigentlich?

Social Egg Freezing kennt viele Namen und wird auch schlichtweg Social Freezing, Kryokonservierung oder elektive Eizellkryokonservierung genannt. Das Ziel ist es, dem altersbedingten Fruchtbarkeitsverlust der Frau in gewissem Maße vorzubeugen und den Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen.

Ursprünglich wurde die Kryokonservierung ausschließlich bei Vorliegen medizinischer Indikationen durchgeführt. Also z.B., wenn eine bevorstehende Krebstherapie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte. Nachdem der experimentelle Status des Verfahrens von internationalen medizinische Fachgesellschaften vor etwas über zehn Jahren aufgehoben wurde, öffneten sich in vielen Ländern (einschließlich zahlreicher Nachbarländer Österreichs) die Türen für das „Social Egg Freezing“.

Im Prinzip geht es bei Social Freezing um den ersten Schritt einer jeden IVF/ICSI-Behandlung („künstlichen Befruchtung“): die betreffende Frau unterzieht sich nach einer Voruntersuchung einer Hormonbehandlung, um die Heranreifung mehrerer Eizellen zu stimulieren. Schließlich werden die Follikel, die idealerweise alle eine reife Eizelle enthalten, in einer Klinik entnommen. Geeignete Eizellen werden dann bei -196°C tiefgefroren und aufbewahrt.

Im Schnitt benötigt man für eine realistische Chance auf ein Kind 20 tiefgefrorene Eizellen. Je nach Alter der Frau, Qualität der Eizellen und anderen Faktoren, werden dazu im Schnitt 2-3 Behandlungszyklen benötigt. Die Kosten für einen einzelnen Behandlungszyklus sind klinikabhängig und belaufen sich einschließlich Medikamenten auf 3.000-5.000 Euro pro Behandlung plus jährliche Aufbewahrungskosten. Man muss insgesamt also mit ca. 10.000-15.000 Euro rechnen – eine durchaus kostspielige Sache. Sollten die eingefrorenen Eizellen dann tatsächlich später verwendet werden, geschieht dies im Rahmen einer IVF/ICSI-Behandlung. Hier ist also zu berücksichtigen, dass wiederum eine medizinische Prozedur erforderlich ist, um auf die „jüngeren“ Eizellen zurückgreifen zu können. Auch dies geht erneut mit einem finanziellen Aufwand einher.

Mögliche Nebenwirkungen des Social Freezing sind u.a. – wenngleich selten – das ovarielle Überstimulationssyndrom, sowie die psychische und körperliche Belastung durch die Behandlung. Grundsätzlich birgt eine spätere Schwangerschaft zusätzliche gesundheitliche Risiken, die bereits im Vorfeld abzuklären und zu bedenken sind.

Warum machen das Frauen überhaupt?

In der öffentlichen Debatte wurde in der Vergangenheit oftmals mit leicht vorurteilsbehaftetem Unterton von karrieregetriebenen Frauen gesprochen, die ihre Familienplanung nach hinten schieben und sich von kommerziellen Kinderwunschkliniken falsche Hoffnungen machen lassen. Doch erzählt das die ganze Geschichte? Die individuellen Beweggründe für Social Freezing sind vielschichtiger, als man auf den ersten Blick vermuten möchte:

Zahlreiche Studien wie z.B. aus Großbritannien, den USA und Israel haben sich mittlerweile damit beschäftigt, warum Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen. Und auch wir haben Frauen in den Niederlanden sowie in Österreich zu ihren Erfahrungen bzw. Meinungen befragt. Das Ergebnis? Wesentlich ist, dass die meisten Frauen zum Zeitpunkt der Eizellentnahme in keiner dauerhaften Beziehung – also Single – sind. Und obwohl die Eizellentnahme in jüngerem Alter (unter 30 Jahre) zu besseren Ergebnissen führen würde, sind betreffende Frauen im Durchschnitt Mitte bis Ende 30. In vollem Bewusstsein ihrer sinkenden Fruchtbarkeit wird Egg Freezing als Möglichkeit des Zeitgewinns gesehen, der Druck nimmt und ein Gefühl der Sicherheit gibt. Es geht schließlich nicht bloß um einen Kinderwunsch, denn dieser könnte ggf. auch mittels Samenspende erfüllt werden. Es geht vielmehr um einen Wunsch nach einer eigenen, eher konventionellen Familie, der zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht umgesetzt werden kann.

Weitere Beweggründe sind schließlich eine instabile Partnerschaft oder grundsätzlich ambivalente Gefühle hinsichtlich des Kinderwunschs. Außerdem werden oft schwierige bzw. fehlende Rahmenbedingungen zur Familiengründung in jüngerem Alter genannt, wie z.B. eine laufende Aus- bzw. Weiterbildung, Beschäftigungsfaktoren oder teurer Wohnraum. Schließlich gibt es aber auch gesundheitliche Aspekte – die sich aktuell nicht als „medizinische Gründe“ qualifizieren – wie z.B. eine psychische Erkrankung. Darüber hinaus wird das Einfrieren von Eizellen auch gelegentlich von Trans*personen in Anspruch genommen.

Da Social Freezing in Österreich nicht erlaubt ist, gibt es auch keine konkreten Zahlen dazu, wie viele Menschen sich trotzdem für den oft als einsam empfundenen Behandlungszyklus entschließen. Hiesige Kinderwunschkliniken haben oft Partnerpraxen im Ausland, wo Interessierte hin verwiesen werden. Auch zur letztlichen Verwendung der eingefrorenen Eizellen gibt es bislang keine Daten. Man geht bislang davon aus, dass nur wenige Frauen auf die tiefgekühlte „Eizellversicherung“ zurückgreifen, was aber u.a. auch am Fehlen von Langzeitdaten liegt, da die Praxis ja noch nicht lange angeboten wird.

Und nun?! Einfrieren oder nicht?

Die Frage, ob man seine Eizellen einfrieren möchte, ist eine sehr persönliche. Beweggründe gibt es wie geschildert viele. Ob man letztlich den Schritt wagt, und die Prozedur, eine mögliche Fahrt ins Ausland sowie die unmittelbaren Kosten (fürs Geldbörserl aber v.a. auch für den Körper und die Psyche) auf sich nimmt, ist eine andere Frage. Und ob der augenscheinliche Zusatznutzen dann wirklich überwiegt, bleibt letzten Endes offen.

Man sollte dabei nicht darauf vergessen, dass eingefrorene Eizellen nur im Rahmen einer späteren IVF/ICSI Behandlung verwendet werden können. Ggf. kommt es aber gar nicht erst dazu, weil zwischenzeitlich eine natürliche Schwangerschaft eintritt, sich Lebenspläne ändern usw. Bei Interesse sollte man sich daher gründlich über das Verfahren, die Kosten, Risiken und Erfolgsaussichten informieren und fachärztlichen Rat einholen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Letzten Endes können eingefrorene Eizellen zwar die Chancen erhöhen, sie sind aber keinerlei Garantie für eine Schwangerschaft und schon gar nicht für eine unkomplizierte Familiengründung.

Zur weiteren Information, die Studienergebnisse:

  • Women’s viewpoints on egg freezing in Austria: an online Q-methodology study: https://bmcmedethics.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12910-020-00571-6 
  • An unconventional path to conventional motherhood: A qualitative study of women's motivations and experiences regarding social egg freezing in the Netherlands: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2468784721002051?via%3Dihub
  • Between “Medical” and “Social” Egg Freezing – A Comparative Analysis of Regulatory Frameworks in Austria, Germany, Israel, and the Netherlands: https://link.springer.com/article/10.1007/s11673-021-10133-z

Möchtest du einen persönlichen Bericht zum Eizellen einfrieren lesen? Hier geht's zum Blogbeitrag!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werde Teil unserer Community

Abonniere unseren Newsletter
crossmenu