Auf einen Kaffee mit Barbara vom Verein FAmOs Regenbogenfamilien

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21/06/2021

Quelle: Society24.at/FAmOs

Wenn zwei Frauen ein Kind zeugen möchten, führt sie der Weg meist in die Kinderwunschklinik – genauso wie heterosexuelle Paare, wenn es auf natürlichem Weg nicht klappen will. Dass das heute überhaupt möglich ist, war nicht immer selbstverständlich. Seit 2015 können lesbische Paare in Österreich ein eigenes Kind durch Samenspende bekommen. Bis dahin war es ein langer Weg durch die Gerichtsäle (OGH, Verfassungsgerichtshof). Schon seit zehn Jahren bietet der Verein FAmOs Regenbogenfamilien Beratung für LGBTIQ*-Familien und ist DIE Interessenvertretung für Familien, die nicht dem heteronormativen Bild von Mutter, Vater, Kind entsprechen. Barbara vom Verein FAmOs Regenbogenfamilien ist mit uns auf einen Kaffee und spricht über schwierige, aber medienwirksame Anfänge – und darüber, dass sich mittlerweile viel getan hat für die österreichischen Regenbogenfamilien.

Christina: Kurz gefragt: wer seid ihr und seit wann gibt es den Verein?

Barbara: Wir feiern heuer tatsächlich unser Jubiläum und sind 10! Wir haben ihn 2011 gegründet, weil es in Österreich keine Anlaufstelle für LGBTIQ-Familien gab. Es gab zwar die Hosi Wien (Homosexuelle Initiative Wien), aber Kinderwunsch und Regenbogenfamilien waren da eher weniger Thema. Der Trend war vor 10 Jahren aber schon da. Viele lesbische Paare haben angefangen, sich den Kinderwunsch zu erfüllen: von den USA, über Deutschland auch in Österreich. Das gab’s natürlich faktisch auch schon früher, aber dass das tatsächlich offen gemacht wird und mit einer Bezeichnung – „Regenbogenfamilie“, das war neu. Auch meine Partnerin und ich wollten diesen Weg gehen. Ich musste mich aber durch die Bank in deutschen Internetforen informieren. In Österreich gab’s da einfach noch keine Möglichkeiten. Es gab damals zwar informelle Treffen, aber keinen Verein. Wir wollten mehr Anschluss zu anderen Regenbogenfamilien, deshalb haben wir uns zusammengetan und gründeten den Verein: als Anlaufstelle, um für die Leute da zu sein, um Lobbying zu betreiben und in Österreich etwas weiterzubringen. Damals gab es ja noch keine rechtliche Absicherung. Wir haben da einen guten Zeitpunkt erwischt: Die Medien haben sich für uns interessiert. Wir hatten keine große Mühe, die Öffentlichkeit zu finden – die kamen auf uns zu. Für uns war das wichtig: Wenn die Leute die Gesichter zu diesen Geschichten sehen, sehen sie, dass wir ganz normale Familien sind. Wir waren dann auch bei den politischen Entscheidungsträgern sehr präsent. Damals hat auch ein Anwalt für die Stiefkindadoption geklagt); das war überhaupt die Zeit der Klagen vor den Gerichten. Wir waren dann das Gesicht der Klagsoffensiven – das war für die Medien natürlich interessant.

Wir wurden dann auch in den familienpolitischen Beirat des Familienministeriums aufgenommen. Das war ein wichtiger Schritt fürs Lobbying, und um öffentliche Förderungen zu bekommen; der Übergang vom rein ehrenamtlichen Engagement zur Interessenvertretung. Also ohne Ehrenamt geht’s natürlich nach wie vor nicht, aber wir haben hier in Wien zumindest zwei Angestellte in Teilzeit. In den Bundesländern gibt es Kontaktpersonen, die machen das weitgehend ehrenamtlich. Mittlerweile sitzen wir so fest im Sattel, dass wir eine Institution sind.

Quelle: FAmOs

Christina: Was macht ihr denn alles? Auf der Website gibt’s ja da ein großes Angebot!

Barbara: Wir sind Familienberatungsstelle, wir beraten kostenlos und anonym. Wir organisieren Treffen, es gibt verschiedene Gruppen und Elternbildungsveranstaltungen, Workshops für die Kinder, die sich untereinander austauschen können sowie auch Treffen für Eltern mit Babys und Kleinkindern. Wir machen auch Fortbildungsworkshop außerhalb der LGBTIQ Community, zum Beispiel für Elementarpädagoginnen. Am 10. Juni wurde die Kindergarten-Informationsbox mit Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) präsentiert – die gibt’s jetzt für jeden Kindergarten! Sie informiert mit einem Buch und Infomaterialien über die Familienvielfalt. Später soll das dann auch für Schulen kommen, das muss aber erst konzipiert werden. Wir wollen es schaffen, den Kindern schon früh zu zeigen, dass zwei Mamas oder zwei Papas auch ganz normal sind.

Von der Stadt Wien werden auch Ehrenamtswochen organisiert, in denen können sich Kinder für gemeinnützige Vereine engagieren. Da besucht uns dann eine Schulklasse und hilft uns, Werbung zu machen.

Christina: Wie beurteilst du denn die Lage derzeit für die Regenbogenfamilien?

Barbara: Österreich steht sehr gut da im Vergleich. Es hat sich in den letzten Jahren viel getan, da gab es viele Urteile von Obersten Gerichtshöfen (VfGh, EGMR). Wir haben mittlerweile gemeinsam mit der Stadt Wien und dem Bezirk Margareten ein eigenes Zentrum, das Regenbogenfamilienzentrum Wien eröffnet.

Im Rahmen der Familienberatungsstelle bieten wir auch eine Rechtsberatung an. Einmal im Monat kommt eine Juristin, die für Fragen zur Verfügung steht. Meine Kollegin und ich machen auch die Beratungen und sind schon relativ sattelfest, aber für komplexere Fragestellungen gibt’s eben die Juristin. Zusätzlich gibt es auch medizinische Beratung mit einer Ärztin, die man buchen kann. Wir haben auch Empfehlungslisten für Notar*innen und Gynäkolog*innen, Hebammen, einen Geburtsvorbereitungskurs. Unser Geburtsvorbereitungskurs, den ich und meine Partnerin damals besucht haben, war eine Katastrophe. Ständig wurde nur von Papa und Mama gesprochen, das war schrecklich – die haben das einfach nicht geschafft, obwohl wir da waren. Mittlerweile ist das besser geworden. Die entsprechenden Berufszweige, die mit Familien zu tun haben, sind da sehr sensibilisiert. Aber natürlich ist es mit anderen Homosexuellen einfacher als nur mit Heterosexuellen.

Christina: Wie seid ihr in den Bundesländern repräsentiert?

Barbara: Wir sind leider noch nicht in jedem Bundesland, Niederösterreich, Burgenland und Tirol fehlen. Sonst gibt’s in allen Bundesländern Kontaktpersonen. Das sind lesbische Mütter, die Treffen vor Ort organisieren, oder Personen mit Kinderwunsch. Vor Corona haben wir uns auch einmal im Jahr in Wien getroffen.  Wir möchten in der Zukunft auch im Westen ein Regenbogenfamilienzentrum eröffnen.

Quelle: FAmOs

Christina: Sind es vor allem Frauen, die zu euren Treffen kommen?

Barbara: Ja, es sind weniger Väter. Für Männer ist es auch schwieriger, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Und daher sind es einfach mehr Frauen. Aber es gibt auch Männer – und die werden immer mehr. Sei es durch Adoption oder Pflege, meistens eher Pflege, weil das verbreiteter ist. Manche erfüllen sich den Wunsch auch durch Leihmütter, oder Co-Parenting.

Christina: Wann kommen denn die Menschen zu euch zur Beratung?

Der überwiegende Teil der Paare kommt zu uns am Anfang des Weges, weil einfach gesucht wird: wo finde ich Anschluss? Mittlerweile sind es auch mehr Familien, die Rat suchen: aufgrund einer Trennung, oder aber um Tipps zu bekommen, wie im Kindergarten mit der Situation am besten umgegangen werden soll. Wir bemühen uns auch später um die älteren Kinder und organisieren Treffen.

Christina: Wie viele Mitglieder gibt es denn?

Barbara: Wir sind ca. 300 Mitglieder. Das ist aber eher eine ideologische Unterstützung, die ist nicht besonders hoch. Unsere Unterstützung und Beratung ist gratis und für alle offen.

Christina: Was muss sich verbessern für Regenbogenfamilien?

Derzeit ist es so, dass nur beide Frauen in der Geburtsurkunde stehen, wenn das Kind über die Kinderwunschklinik gezeugt wurde. Ansonsten muss die Stiefkindadoption durchgeführt werden. Bei heterosexuellen Paaren ist das Kind in der Ehe automatisch das eigene. Das versuchen wir gerade zu ändern. Die Konsequenz ist dann auch, dass die zweite Mutter um das Babymonat umfällt – weil sie nicht automatisch mit der Geburt Mutter wird.

Beim Kinderbetreuungsgeld gibt es auch immer wieder Probleme, weil die Stiefkindadoption einfach länger dauert. Viele Dinge kann man dann noch nicht machen, weil du nicht offiziell Elternteil bist.

Langfristiges Ziel wäre auch eine rechtliche Anerkennung von Mehrelternfamilien, das wäre schön. Weil es gibt da einfach nichts, nur in manchen skandinavischen Ländern.

Christina: Vielen lieben Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft!

Lesetipp: https://www.wien.gv.at/menschen/queer/sexuelle-orientierung/recht/elternschaft/

Quelle: FAmOs, Mathilda Zangerl

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