Franziska Ferber (www.kindersehnsucht.de) ist für mich eine der ganz Großen in der Kinderwunsch-Community! Schon allein die Texte auf der Website und der Newsletter zeugen von ihrem Erfahrungsschatz, wenn es um das Thema Kinderwunsch geht und inspirieren zu neuen Gedanken. Umso mehr freue ich mich über dieses Interview! Mit ihrem eigenen Kinderwunsch hat sie abgeschlossen und ist ungewollt kinderlos. Doch weil sie weiß, wie sich das jahrelang Erleben des Kinderwunsches anfühlt, ist sie heute Kinderwunsch-Coach sowie Autorin und hilft Frauen während des Kinderwunsches und beim Abschluss mit dem Kinderwunsch.
Liebe Franziska, du hast den eigenen Kinderwunsch ja selbst erlebt – wie ging es dir in der Kinderwunschzeit? Wie lang habt ihr es dann letztendlich „probiert“?
Mein Mann und ich waren jahrelang in einer Kinderwunschklinik. Als wir – wider jeder Prognose und Erwartung der Ärzte – immer wieder katastrophale Ergebnisse erreicht haben und ich mir zudem nach einer experimentellen Medikamentenbehandlung und einer folgenden Ohnmacht den Kiefer gebrochen habe, stellte mein Mann mir die Frage ‚Bist Du Dir eigentlich sich , dass wir Dein Leben riskieren sollen – weil wir den Wunsch haben, ein Leben zu kreieren?‘. Ich bin ihm zutiefst dankbar dafür, dass er in einer Frage die Vielschichtigkeit des leidvollen Weges auf den Punkt gebracht hat. Sie war der Anfang vom Ende des Weiterverfolgens des Kinderwunsches und der Beginn der Suche nach Antworten auf die Frage, wie man auch ungewollt kinderlos ein erfülltes Leben leben kann.
Davor haben wir jahrelang gehofft und – rückblickend betrachtet – mehr auf uns genommen als – vor Allem mir – körperlich und seelisch „gesund“ war. Wir haben immer gedacht, dass der nächste Behandlungsschritt dann ganz sicher die „Nadel im Heuhaufen“ oder „das fehlende Puzzleteil“ sein würde. Leider war es nicht so und wir mussten am Ende eines Weges, der sich vor Allem durch das Gefühl der Ohnmacht und des Verlustes ausgezeichnet hat, einsehen, dass wir ungewollt kinderlos bleiben werden. Das war dann der Anfang eines zweiten, recht harten Weges… denn wie soll man glücklich und zufrieden leben, wenn die größte Sehnsucht – das Leben mit einem Kind – sich nicht erfüllt? Darauf mussten wir mühsam unsere Antworten finden.
Hast du dich schon während der Behandlungen stark mit dem Kinderwunsch – und welche Gefühle dahinter stehen – auseinandergesetzt? Oder kam das erst danach, beim Abschluss mit dem Kinderwunsch?
Nein… ich bin eine ziemlich disziplinierte, leistungsorientierte und tapfere Frau. Wenn ich mein Ziel noch nicht erreicht habe, dann suche ich üblicherweise erst einmal bei mir, ob ich vielleicht etwas nicht „gut genug“ gemacht habe… sprich, wo ich noch optimieren kann. Lange Zeit lag der Fokus der Überlegungen somit sehr auf dem, was „man noch tun kann“ und weniger darauf, wie es mir dabei geht… rückblickend würde ich sagen, dass das ein Fehler war. Heute liegt mein Augenmerk immer zunächst auf der Frage, wie es mir geht und was meine (mentalen wie physischen) Möglichkeiten sind. Ohne diese Analyse treffe ich heute keine größeren Entscheidungen mehr… aber zu lernen, dass ich wichtig bin, war per se schon eine Herausforderung.
Mein Partner und ich sind zwar mit zwei Jahren noch relativ „kurz“ in diesem Kiwu-Dschungel aus Inseminationen und IVFs. Trotzdem frag ich mich immer wieder: wann ist es Zeit, aufzuhören? Wann war klar für dich – jetzt ist Schluss? Und wie kann man/frau überhaupt Schluss machen, wenn das „Ziel“ eines Kindes noch nicht erreicht ist?
Schau… wir messen Zeit üblicherweise in Jahren. Aber beim Kinderwunsch muss man – denke ich – schon auch berücksichtigen, dass ein Jahr durchschnittlich 12 Zyklen bei einer Frau bedeutet. Auf den Kinderwunsch übertragen, bedeutet ein Jahr des Versuchens dann auch, dass man 12x gehofft und 12x enttäuscht wurde… das ist dann schon ein ganz anderer Blickwinkel, nicht wahr?
Wer 12x gehofft hat, der steht am Ende eines Jahres mit Wunden da. Insofern möchte ich Dir wünschen, dass Du das, was Du bisher durchgestanden, ausgehalten und erlebt hast, nicht klein machst…
Ich habe keine pauschale Angabe zur Frage „wann sollte man aufhören“. Aber ich glaube, dass auch hier der höchst achtsame Umgang und der kontinuierliche Blick auf die seelischen und körperlichen Kräfte ausschlaggebend ist. Das ist natürlich von Frau zu Frau unterschiedlich.
Franziska Ferber
Ich habe keine pauschale Angabe zur Frage „wann sollte man aufhören“. Aber ich glaube, dass auch hier der höchst achtsame Umgang und der kontinuierliche Blick auf die seelischen und körperlichen Kräfte ausschlaggebend ist. Das ist natürlich von Frau zu Frau unterschiedlich.
Aus meiner persönlichen Geschichte heraus würde ich als Anhaltspunkt sagen: Wenn man sich zunehmend verändert und die eigene Persönlichkeit sich stark verändert und wenn man in den sozialen Rückzug geht (also sich von Freunden abgrenzt und verkriecht), dann ist es zumindest ein sehr guter Zeitpunkt einmal wirklich darauf zu schauen, ob man noch ausreichend Ressourcen hat. Mein Mann, denke ich, hatte schon Recht, als er danach fragte, ob ich denn meinen würde, dass wir noch auf dem richtigen Weg sind, wenn wir so enorme Risiken und Belastungen auf uns nehmen… für die Hoffnung. Ja, ich glaube, jede Kinderwunschfrau tut gut daran, ab einem gewissen Zeitpunkt darauf zu schauen, wie es ihr selbst wirklich geht und sich selbst immer an erste Stelle zu stellen und darauf basierend Entscheidungen zu treffen.
Und umgekehrt: wann war für dich klar, du willst zum Kinderwunsch beraten? Was war denn dein beruflicher Hintergrund vor dieser Karriere? Seit wann bist du nun Beraterin?
Ich war während der Kinderwunschbehandlung in einem Job, den ich sehr gerne gemacht habe. Zu meinen Lebensplänen hat es nie gehört, sich selbstständig zu machen. Aber als ich gesehen habe, dass ich keine zu mir passsende Hilfe in einer enorm belastenden (Kinderwunsch-) Zeit bekommen konnte, wurde mir klar, dass wir als Gesellschaft das nicht hinnehmen sollten. Mir wurde klar, dass es ein Unterstützungsangebot geben muss… und als 2013 / 2014 der Abschied bewältigt war und ich Tritt im ungewollt kinderlosen Leben gefasst hatte, habe ich beschlossen, nun genau dieses Angebot zu schaffen, das ich selbst so dringend gebraucht hätte. Deshalb biete ich bis heute auch wirklich nur das an, was mir selbst geholfen hat.
Das Thema Kinderwunsch ist wohl eines der intimsten und wichtigsten Themen für viele Paare und ist eng verbunden mit dem Konzept von Familie, das wir leben möchten. Ist es da möglich, in der Beratung „nur“ auf den Kinderwunsch zu fokussieren? Oder geht es da auch automatisch um andere Lebensbereiche: die eigene Biografie, der Beruf etc.?
Ich glaube, es geht nie nur um den Kinderwunsch – denn der ist ja Teil eines Lebensentwurfes; Teil der eigenen Werte, Weltanschauungen und der eigenen Persönlichkeit. Insofern arbeite ich immer mit dem umfassenden Blick und das hat sich auch bewährt. Denn wer den Wunsch nach einem Kind als „nur einen Teil“ betrachtet, der stellt nach meiner Meinung existentielle menschliche Bedürfnisse auf die Ebene eines schlichten Wunsches. Dabei handelt es sich um eine tiefe innere Sehnsucht und ich denke, dem darf man auch gerecht werden und den entsprechenden Raum geben.
Wer den Wunsch nach einem Kind als „nur einen Teil“ betrachtet, der stellt nach meiner Meinung existenzielle menschliche Bedürfnisse auf die Ebene eines schlichten Wunsches. Dabei handelt es sich um eine tiefe innere Sehnsucht und ich denke, dem darf auch gerecht werden und den entsprechenden Raum geben.
Franziska Ferber
Arbeitest du dann meistens mit den Frauen? Oder kommen auch Paare zu dir?
Ich habe das ganz große Glück jeden Tag mit wunderbaren, starken Frauen arbeiten zu dürfen… Frauen, die eigentlich wirklich klasse sind… die aber wegen des Kinderwunsches merken, dass sie sich im Wesen verändern. Dass aus einer toughen und lebenslustigen Frau auf einmal so etwas wie ein sich ohnmächtig fühlendes Häschen (so nannte es mal eine meiner Frauen bei sich selbst) wird. Dabei zu unterstützen, trotz Allem wieder zu sich selbst zu finden, ist für mich eine enorme Herausforderung aber auch tiefe Bereicherung. Ich bin total dankbar, dass ich zu 99,9% Frauen begleiten und unterstützen darf!
Du bist ja nun auch schon mehrfach im Fernsehen und der Presse gewesen und bist damit auch eine „Botschafterin“ des Themas Kinderwunsch geworden. Welche Botschaften möchtest du am liebsten öfters in der Öffentlichkeit hören oder lesen?
Ich bin dankbar für jede*n Medienvertreter*in, der/die über den Kinderwunsch und ein ungewollt kinderloses Leben berichtet. Denn im Gegensatz zu sehr vielen anderen Tabus ist der Kinderwunsch ein Bereich, wo sich vor Allem in den letzten 20 Jahren immer mehr Tabus aufgebaut haben.
Auch hier gilt, dass ich den Kinderwunsch und Alles, was dazu gehört, nicht zu sehr auf einzelne Botschaften „eindampfen“ möchte, denn das würde der Vielschichtigkeit vermutlich auch nicht gerecht. Wenn ich jedoch nur 3 Botschaften auswählen dürfte, dann wären es vermutlich diese:
1) Niemand ist Schuld daran, wenn eine Frau nicht schwanger wird. Ein Kind zu bekommen ist keine Leistung – sondern ein großes Glück.
2) Beschäftige Dich mit dem, was Dich stärkt und Deine Seele nährt – denn Kraft wirst Du so oder so brauchen: Wenn Du schwanger wirst, kostet das Kraft. Ein Baby um so mehr. Wenn Du leider nicht das Glück hast, ein Kind zu bekommen, brauchst Du auch Kraft. Insofern ist es klug, wirklich darauf zu schauen, dass die Akkus immer und immer wieder (und je belastender eine Situation ist, desto mehr!) aufzuladen.
3) Hab‘ Verständnis für Dich und Deine Reaktionen, Gedanken und Gefühle. Du bist in einer verdammt schweren Situation – fordere nicht von Dir selbst, darauf nicht zu reagieren oder „immer positiv sein zu müssen“. Jemand, der so sehr kämpft, hat Mitgefühl, Wärme, Güte und Verständnis verdient!
Vielen lieben Dank für dieses tolle Interview!
Hier findest Du das Unterstützungsangebot von Franziska: www.kindersehnsucht.de
Bücher von Franziska Ferber: